Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Datum vom 21.6.2018 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg eine Frage zur Umsatzbesteuerung von Vereinen zur Klärung vorgelegt.
Worum es ging:
Kläger im durch den Bundesfinanzhof zu entscheidenden Rechtsstreit war ein gemeinnütziger eingetragener Verein (e.V.), dessen Vereinszweck die Pflege und Förderung des Golfsports war. Diesen Zweck verwirklichte der Verein durch den Betrieb eines Golfplatzes und der dazugehörenden Anlagen in eigener Regie auf gepachtetem Gelände. Im Streitjahr 2011 zahlten die Mitglieder einen Jahresbeitrag von 950 € und einen einmaligen Aufnahmebeitrag von 199 €. Das Finanzamt sah die Mitgliedsbeiträge im Rahmen einer Betriebsprüfung als umsatzsteuerlich irrelevant an. Der Verein erbrachte neben der Zurverfügungstellung der Infrastruktur zum Spielen von Golf weitere entgeltliche Leistungen an seine Mitglieder. Es handelte sich neben der Berechtigung zur Nutzung des Golfspielplatzes (Greenfee), die leihweise Überlassung von Golfbällen für das Abschlagstraining mittels eine Ballautomaten, die Durchführung von Golfturnieren und Veranstaltungen, bei denen der Verein Startgelder für die Teilnahme vereinnahmte sowie die mietweise Überlassung von Caddys und den Verkauf von Golfschlägern. Das Finanzamt hielt die hieraus erzielten Umsätze für umsatzsteuerpflichtig. Die Startgelder sah das Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig an, weil eine Befreiungsnorm wegen entfallener Gemeinnützigkeit des Vereins nicht zur Anwendung gelangte. Gegen die infolge der Betriebsprüfung ergangenen Umsatzsteuerbescheide legte der Verein zunächst erfolglos Einspruch ein und erhob erfolgreich Klage zum Finanzgericht. Gegen das Urteil des Finanzgerichts wandte sich das Finanzamt mit seiner Revision an den Bundesfinanzhof.
Was der Bundesfinanzhof sagt:
Der Bundesfinanzhof entscheidet den Rechtsstreit (zunächst) nicht selbst, weil er Fragen zur Anwendung des europäischen Rechts hat, die nur einheitlich vom EuGH geklärt werden können. Der Verein hält die Umsätze, die das Finanzamt als umsatzsteuerpflichtig beurteilt für umsatzsteuerfrei. Hierzu kann er sich auf die europäische Rechtsgrundlage für das deutsche Umsatzsteuerrecht – die sog. Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) − berufen, wenn der deutsche Gesetzgeber das europäische Recht nicht oder nicht richtig (z.B. nur unvollständig oder falsch) umgesetzt hat. Hierzu muss geklärt werden, ob das europäische Recht im Streitfall unmittelbar anwendbar ist und zur Umsatzsteuerfreiheit der Umsätze des Vereins führt. Der Bundesfinanzhof stellt dem EuGH entsprechend drei Fragen: (1) Kommt der Vorschrift der europäischen Regelung der MwStSystRL unmittelbare Wirkung zu, so dass sich der Verein hierauf berufen kann? (2) Die Regelung befreit Umsätze von sog. „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“ – Handelt es sich hierbei um einen eigenen europarechtlichen Begriff oder kann dieser vom jeweiligen Nationalstaat – im Streitfall also Deutschland – definiert werden? (3) Sind die „Einrichtungen ohne Gewinnstreben“ deckungsgleich mit deutschen gemeinnützigen Körperschaften? Der BFH vertritt die Auffassung, dass die europäische Regelung nicht unmittelbar gilt, weil sie besagt, dass die EU-Mitgliedstaaten „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“ befreiten. „Bestimmte Dienstleistungen“ sind aber eben nicht „alle Dienstleistungen“. Könnte sich der Steuerpflichtige auf die europäische Regelung berufen würde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit genommen, zu bestimmen, welche Dienstleistungen sie von der Steuer befreien wollen. Schließlich vertritt der BFH die Meinung, der Begriff „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ müsse einheitlich durch die EU definiert werden, ansonsten gäbe es zu viele unterschiedliche Verständnisse des Begriffs innerhalb der EU. Zudem sieht der BFH den Begriff der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ und die deutsche Gemeinnützigkeit als nicht deckungsgleich an.
Was das bedeutet:
Es muss zunächst abgewartet werden, wie der EuGH die Vorlagefragen des BFH entscheidet. Der BFH wird nach dieser Entscheidung das Revisionsverfahren fortsetzen und dann ein Urteil fällen. Für die Praxis ist das Urteil deshalb von erheblicher Relevanz, weil es darüber entscheidet, ob sich deutsche Vereine neben der Anwendung der Regelungen des deutschen Umsatzsteuergesetzes (UStG) auch unmittelbar auf die Vorschriften der MwStSystRL berufen können. Das hätte im Streitfall und auch für viele andere Sportvereine zur Folge, dass bestimmte Leistungen, die Vereine im Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung erbringen, von der Umsatzsteuer befreit sind. Zudem ist die Frage wichtig, ob diese Befreiung nur für gemeinnützige Vereine gilt oder ob der EuGH den Begriff der „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ viel weiter fasst und möglicherweise alle Idealvereine hierunter fallen lässt.
Sonstiges:
Es ist noch anzumerken, dass der BFH darauf hinweist, dass das Finanzamt im Streitfall die Mitgliedsbeiträge als umsatzsteuerlich irrelevant behandelt. Der EuGH und der BFH sehen dies seit Jahren anders. Die Finanzverwaltung wendet diese Rechtsprechung aber nicht an. Es ergibt sich damit das seltsame Bild, dass die Finanzverwaltung Mitgliedsbeiträge als nicht umsatzsteuerbar behandelt, die Rechtsprechung diese aber für umsatzsteuerlich relevant und – wenn keine Befreiung eingreift – auch für umsatzsteuerpflichtig hält. Für Vereine ergibt sich hieraus die Möglichkeit, sich entweder auf die Ansicht der Finanzverwaltung oder auf die der Rechtsprechung zu berufen. Entweder behandelt der Verein die Mitgliedsbeiträge als umsatzsteuerlich relevant (hat dafür aber auch den Vorsteuerabzug z.B. in Bezug auf die Errichtung des Vereinsheimes oder von Sportanlagen) oder er behandelt die Mitgliedsbeiträge als umsatzsteuerlich irrelevant (hat dann aber auch keinen Vorsteuerabzug). Für den jeweiligen Einzelfall sollte der Verein unbedingt steuerlichen Rat bei seinem Steuerberater einholen.
Az: BFH-Beschl. V R 20/17 v. 21.6.2018 / EuGH-Az: C-488/18.