Mit Urteil vom 14.3.2018 hat sich der Bundesfinanzhof (BFH) zur Frage geäußert, ob extremistische Vereine gemeinnützig sein können. Eine Nennung im Verfassungsschutzbericht der Länder oder des Bundes als extremistisch steht der Gemeinnützigkeit entgegen.
Worum es ging:
Kläger und Revisionskläger war ein gemeinnütziger Verein, der im Jahr 1997 gegründet wurde. Sein Satzungszweck war die Förderung der Vermittlung von richtigen und sachbezogenen Informationen über die islamische Religion. Hierbei übte der Verein seine Aktivitäten in einem Objekt aus, in dem sich auch die von ihm unterhaltene Moschee befand. Nachdem der Verein als gemeinnützig anerkannt war erhielt das Finanzamt Kenntnis davon, dass der Verein in den Verfassungsschutzberichten des Bundes für die Jahre 2009 und 2010 als extremistisch genannt war. Das Finanzamt widerrief die Gemeinnützigkeit für diese beiden Jahre durch entsprechende Körperschaftsteuerbescheide. Der Verein wendete sich hiergegen zunächst mit dem Einspruch und danach mit der Klage ans Finanzgericht. Der Verein berief sich darauf, dass die Ausführungen der Verfassungsschutzbehörden fehlerhaft seien, ohne jedoch die Feststellungen der Behörde zu widerlegen. Gegen das für den Verein erfolglose Urteil des Finanzgerichts wandte sich der Verein mit seiner Revision an den BFH.
Was der Bundesfinanzhof sagt:
Der BFH weist die Revision zurück und gibt dem Finanzamt im Hinblick auf die Aberkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins damit recht. Die Richter führen aus, dass der Verein nach seiner Satzung und der tatsächlichen Geschäftsführung zwar (weiterhin) die Religion fördere. Allerdings könne er wegen der gesetzlichen Vermutung in § 51 Abs. 3 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) dies nicht mehr als gemeinnütziger Verein verwirklichen. In § 51 AO sind die allgemeinen Anforderungen zur Erlangung der Gemeinnützigkeit aufgeführt. Nach Absatz 3 setzt diese Steuervergünstigung „zudem voraus“, dass der Verein nach seiner Satzung und bei seiner tatsächlichen Geschäftsführung keine Bestrebungen im Sinne des § 4 des Bundesverfassungsschutzgesetzes fördert. Bei Vereinen, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistische Organisation aufgeführt sind, ist widerlegbar davon auszugehen, dass die Voraussetzungen für die Gemeinnützigkeit nicht erfüllt sind. Anders als vom Verein behauptet muss keine Abwägung von Leistungen für das Gemeinwohl einerseits und Anhaltspunkten für eine teilweise verfassungswidrige Geschäftsführung andererseits erfolgen. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut reicht für das Entfallen der Gemeinnützigkeit vielmehr die bloße Nennung „als extremistische Organisation“ im Verfassungsschutzbericht. Nicht ausreichend ist die beiläufige Nennung
oder eine „Verdachtsfallnennung“. Die Nennung führe zu einer Beweislastumkehr, die verlangt, dass der Verein aktiv widerlegt, dass es sich bei ihm um eine extremistische Vereinigung handelt. Im Streitfall hatte der Verein nichts vorgebracht, was hierzu geeignet gewesen wäre. Problematisch seien vor allem Äußerungen von Beauftragten des Vereins gewesen. Der Verein hatte hierzu lediglich vorgetragen, er könne sich nicht gegen eine Vereinnahmung durch diese Personen wehren. Zudem habe der Verein den Vorwurf nicht entkräften können, die Vereinsräumlichkeiten zur Lagerung von Publikationen der Muslimbruderschaft zu nutzen.
Was das bedeutet:
Wichtigste Aussage des Urteils ist, dass es sich bei der gesetzlichen Regelung um eine Beweislastumkehr handelt und dass es sich beim Verlust der Gemeinnützigkeit bei Verstößen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung um eine gebundene Entscheidung handelt. Das Gesetz ist so formuliert, dass die Nennung im Verfassungsschutzbericht als negative Voraussetzung erfüllt sein muss, d.h. wird ein Verein in einem Verfassungsschutzbericht als „extremistische Organisation“ genannt, kann dieser nicht mehr gemeinnützig sein. Einzige Ausnahme: Der Verein muss darlegen, dass die Nennung im Verfassungsschutzbericht fehlerhaft ist. Hierzu muss er die Feststellung aktiv widerlegen und kann sich nicht darauf beschränken, lediglich zu behaupten, die Nennung sei falsch und entspreche nicht den Tatsachen. Keinen Erfolg verspricht zudem, dahin zu argumentieren, der Verein habe zwar vereinzelte Probleme mit einzelnen Vertretern, „unter dem Strich“ leiste er aber sinnvolle Arbeit für das Gemeinwohl. Das Finanzamt muss hier keine Abwägung zwischen „gutem“ und „schlechten“ vornehmen. Vielmehr gilt hier das „Alles-oder-Nichts-Prinzip“. Bereits die Nennung im Verfassungsschutzbericht reicht aus, um die Voraussetzungen der Gemeinnützigkeit als nicht mehr gegeben anzusehen. Das Finanzamt ist hieran auch gebunden und muss die Gemeinnützigkeit versagen. Hintergrund ist hier, dass das örtlich zuständige Finanzamt nicht im Einzelfall prüfen muss, ob ein Verein extremistisch ist oder nicht. Das Finanzamt kann bereits aus der bloßen Nennung im Bericht die Konsequenzen der Versagung der Gemeinnützigkeit ziehen.
Sonstiges:
Der Verein im Streitfall hatte lediglich vorgetragen, dass er die Ansicht des Finanzamtes für fehlerhaft halte. Im Falle der durch Nennung im Verfassungsschutzbericht eintretenden gesetzlichen Beweislastumkehr reicht das jedoch nicht aus. Der Verein muss vielmehr aktiv nachweisen, dass er entgegen der Vermutung durch Nennung im Verfassungsschutzbericht keineswegs extremistisch ist. Das wird ihm nur im Einzelfall gelingen. Entsprechenden Vereinen ist anzuraten, sich bereits gegen die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht zu wehren, erforderlichenfalls auch unter Zuhilfenahme gerichtlichen Rechtsschutzes. Es wird schwerlich gelingen, die Aufnahme in den Verfassungsschutzbericht hinzunehmen und zu akzeptieren und dann im Steuerstreitverfahren vor dem Finanzgericht vortragen zu wollen, der Verein sei überhaupt nicht extremistisch und hätte nicht in den Verfassungsschutzbericht aufgenommen werden dürfen.
Az: BFH-Urteil V R 36/16 v. 14.3.2018.